Nennen wir sie D1, D2 und D3 - die launigen Männer, die am Dönerstand in einem nur für sie ersichtlichen System umeinanderwuseln. Vorn am Tresen, wo die Speisen in den Auslagen Appetit machen, stauen sich die Kunden als Hindernis weit in den Bahnhof hinein. Hinten im Laden gähnende Leere. D1 blafft aus einem ebenso genervt wirkenden wie verschwitzten Gesicht: "Der nächste!", guckt mir dabei für eine Zehntelsekunde in die Augen, bevor sein Blick in einer Endlosschleife aufmerksam die Umgebung scannt. D2 scherzt auf türkisch mit einer Familienangehörigen, D3 kommt gerade aus dem Hinterzimmer.
"Eine türkische Pizza mit Salat. Zum Mitnehmen bitte." antworte ich brav ins unendliche Nirgendwo hinein.
D1 lässt mit keinem Augenbrauenzucken erkennen, ob die Nachricht bei ihm angekommen ist. 25 lange Jahre Dönererfahrung lassen mich dennoch optimistisch in die Zukunft blicken. D1 bellt in die Umstehenden hinein: "Der nächste!" Die Dame neben mir hat schon drei Mal dankend abgelehnt, eine Bestellung aufzugeben, da sie nur warte, bis ihr Begleiter seinen Döner habe.
D2 hat sein Gespräch (fast) beendet und fragt mich zwischen zwei türkischen Wortschwallen "und für Sie?", sieht mich dabei genau wie D1 einen Wimpernschlag lang an, bevor er mit seiner Großcousine weitertratscht. D1 bellt zu D2 rüber: "Trkschpiz". Ich reagiere nicht. Die werden das schon richten. D2 verabschiedet die Cousine, fragt die Dame neben mir zur Sicherheit noch einmal "und für Sie?". Die bleibt ganz konsequent bei ihrem Standpunkt, dass sie hier ganz bestimmt nichts bestellen mag.
D3 rückt auf, bekommt auf türkisch (oder kurdisch - was weiß ich) eine Kurzzusammenfassung der letzten 32 Bestellungen, packt ein vorbereitetes Stück Teigfladen in den Kontaktgrill und fängt an, Fleisch von Spieß zu säbeln. Ich ahne, was er vorhat.
D2 ist wieder dran: "Trkschpiz mit Fleisch und Salat?" Diesmal Augenkontakt, eine ganze Sekunde lang. Ich wiederhole ganz langsam, quasi für Unterbelichtete: "Ohne Fleisch. Ohne Fleisch. Mit Salat bitte."
Jetzt kommt das Pingpong, das ich so liebe:
D2: "Salat - mit alles?"
Ich: "Ja, alles."
D2: "Sauce?"
Ich: "Scharf bitte."
D2: "Hieressen?"
Ich: "Zum Mitnehmen".
D2: "Tüte?"
Ich: "Ja, bitte."
D2: "Zweisiebzisch."
Ich denke: Was für ein Schnäppchen! Für fünf Minuten Staunen über ein voll funktionierendes Chaos, die Teilnahme an einer sehr eigenen, in meinen Augen ebenso unhöflichen wie ineffizienten Kommunikation und am Ende ein extrem leckeres, preiswertes und sogar gesundes Abendessen.
Das nächste Mal gehe ich zur Abwechslung mal wieder zum Chinesen. Die sind zwar doppelt so teuer und es schmeckt nur halb so gut, aber dafür lächeln sie so schön und so leise. Und ich muss alles immer nur ein Mal sagen.
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