Irgendwann in den 70ern, als das Fliegen noch elitär und Geschäftsreisende fast ausschließlich Männer ohne Handgepäck waren, haben nach meiner festen Überzeugung (männliche, durchschnittlich große) Architekten eine Definition für Funktionalität in die Architektenschulbücher geschrieben, die seither nie wieder in Frage gestellt, geschweige denn korrigiert wurde. So kommt es also, dass sich die 1,65m hohe Verfasserin in den letzten Monaten bei ihren verschiedenen Kurztrips durch Deutschland und Europa, aber auch beim täglichen Pendeln immer wieder den gleichen, unüberwindlichen Problemen gegenüber sieht:
Spätestens seit "Up in the Air" wissen alle Vielflieger dank George Clooney, wie man ein Handgepäck-Rollköfferchen so effizient wie möglich packt und an welche Schlange man sich beim Security Check anstellen sollte (immer hinter Asiaten, die sind so effizient). Was völlig unbeantwortet blieb ist die Frage, wie eine alleinreisende Frau mit diesem Rollköfferchen, ihrer Handtasche und in kühleren Jahreszeiten einer Jacke in das innere einer Flughafentoilette kommt. Da Toilettentüren aus völlig unverständlichen Gründen immer nach innen aufgehen, wird selbst der brillanteste Ingenieur mit logarithmusoptimierter Berechnung keine Ideallinie finden, die sowohl das Köfferchen als auch die gar nicht mehr so voluminöse Reisende zeitgleich auf ebener Erde in das Kabäuschen navigiert. Frau muss also mit der kräftigeren Hand das Köfferchen auf Kopfhöhe anlupfen, es über die Toilettenschüssel heben, sich selbst elegant mittels eines eingesprungenen Rittbergers zwischen geöffneter Tür und Seitenwand eindrehen und dann, bevor ihr der Arm abfällt, das Köfferchen hinter der sich schließenden Tür in die Ecke fallen lassen. Handtasche, Jacke, Schal etc. könnten nun auf einem Haken deponiert werden, so es einen gäbe. Das Fehlen eines solchen beweist unumstößlich meine Theorie vom männlichen Architekten: der steht ja immer vor dem Pinkelbecken und muss weder eine Jacke noch eine Handtasche wohin hängen, um die Hände frei zu haben.
Am Zielort im Hotel eingecheckt erwartet die Reisende dann eine sich ähnlich überall auf der Welt wiederholende Malaise: sie steht mit ihrem sicherheitskonformen 1l-Plastiktütchen mit all den Minicremes, Minizahnpastas, Minideos und Minihaarsprays im Badezimmer vor der Frage: wohin? Selbst brandneu errichtete oder erst kürzlich generalsanierte Hotels haben selten eingeplant, dass Reisende sich nicht nur ständig eine Duschhaube aufsetzen (wer von Euch hat schon jemals so ein Wasserverhüterli auf dem Kopf gehabt?!?!) oder ein Zahnputzglas vom Papierhäubchen befreien wollen, sondern - oh Wunder ! - eigene Toilettenartikel mit sich führen. Und auch hier treffen wir wieder fast ausnahmslos auf das Phänomen, dass nach Ansicht des Innendesigners etwaige Haken an Wänden nur das Fugenmuster stören. Dass von Ikea bis Samsonite die führenden Hersteller von "Kulturbeuteln" (wenn das mit der Kultur doch so einfach wäre - ab in den Beutel!) in den letzten Jahren diese mit Ösen zum ANHÄNGEN versehen haben, ist ein typischer Fall von gut gemeint. Wo kein Haken, da kein Hängen.
Und zu guter Letzt eine Bitte an alle groß gewachsenen ÖPNV-Nutzer: bietet Euch an, als Haltegriff für so kleine Nuckelpinnen wie mich. Zum einen erhöhen spontane Körperkontakte die Chancen auf interessante Gespräche enorm, zum anderen sehen wir dann nicht immer so verdammt verzweifelt aus, wenn wir versuchen, auf Zehenspitzen an die Haltestangen in Bussen und Bahnen zu kommen. Zwar werden die Wirbel aufs Angenehmste entlastet, wenn man so frei rumhängt, aber irgendwie fühle ich mich dabei nie so ganz wohl. Und außerdem verrutscht das Dekolleté dann immer so blöd.
Danke.
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