Empathie gibt's nicht im APP-Store.

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Die Nöte eines Pendlers (Fortsetzung) – oder: ein Abgesang auf die gute Kinderstube

08.07.2015 21:36

 

Habe ich was verpasst? Haben sie mal wieder den Knigge umgeschrieben? Seit einigen Tagen scheint die Regel außer Kraft zu sein, dass sich wohlerzogene Mitteleuropäer beim Gähnen die Patschehand vor die Fressluke halten. Folgendes muss zwar eigentlich nicht erwähnt werden, schadet aber in diesem Zusammenhang auch nicht: sowohl morgens als auch abends sind im Pendlerzug ausnahmslos ALLE monstermüde. Das ist Gesetz. Mancher döst einfach so vor sich hin, ein anderer lässt sich mit Musik bedudeln, wenige arbeiten schon am Laptop, die meisten gucken im Energiesparmodus vor sich hin. Es wäre geradezu störend, gut gelaunte und ausgeschlafene Passagiere an Bord zu haben. Gähnen ist bei dieser Versuchsanordnung sozusagen systemimmanent. Allgemein übliche Praxis. Aber ich schwöre Euch: NIEMAND hält sich mehr die Hand vor den Mund dabei! NIEMAND!!! Wenn man erstmal auf das Phänomen aufmerksam wird, dann sind sie auf einmal überall, wie die Aliens - diese Produkte einer schlechten Kinderstube. Was ich in den letzten Tagen an Amalgam-, Gold- und Porzellanfüllungen, Brücken und Zahnlücken zu sehen bekam, würde für 10 Semester Stomatologie reichen. Mal abgesehen davon, dass da sicher nicht nur frische Minze austritt. Es ist ja schon schrecklich genug, dass viele Menschen in Deutschland ihr Haus verlassen, wie der Wecker sie aus dem Bett warf – aber jetzt benehmen sie sich in öffentlichen Verkehrsmitteln auch noch, als wären sie noch drin. Ich muss gestehen, dass ich gutes Benehmen sehr schätze. Aber warum isses weg? Wo isses hin? Und wann kommt es wieder???

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der Realität in die hässliche Fratze geschaut

04.07.2015 11:36

Es ist nun offensichtlich, dass ich mich nicht mehr in der Lebensmitte befinde, sondern - jedenfalls aus Sicht der Werbestrategen - auf dem absteigenden Ast. Wie sonst soll ich es interpretieren, dass beim Lesen von Artikeln zur Griechenlandkrise der Logarithmus des deutschen (also rein kulturhistorisch eher etwas negativ eingestellten) Webseiten-Betreibers empfiehlt, mir diese Werbung einzuspielen:

 

Während Groupon USA (typisch amerikanisch-obereuphorisch ob der sich bietenden Möglichkeiten) auch eine entsprechende Kaufempfehlung, ganz persönlich auf mich zugeschnitten, hat:

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Potsdam am 4. Juli

04.07.2015 11:00

Nizza war nicht nur wettertechnisch eine Wucht - aber hier lassen sich die Götter auch nicht gerade lumpen. Auf meiner Terrasse verbrenne ich mir schon am Morgen die Fußsohlen beim Barfusslaufen. Und mein Aussenthermometer sagt: die Wettervorhersage ist locker zu überbieten.

Heute ist also DER TAG: der Tag, an dem ich den Sonnenschirm aus dem Keller hole und ihn seiner natürlichen Bestimmung zuführe. Lasst uns innehalten und ein Kreuz in den Kalender malen.

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die Wettervorhersage für Nizza :-)

23.06.2015 19:15

 

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Wie geschmiert

07.06.2015 17:57

 

Lobbyismus - ein Begriff, der zwar schon immer irgendwie negativ behaftet ist, unter dem ich mir aber konkret nicht viel vorstellen konnte. Und dies nun als Thema für einen "Wie-geschmiert"-Abend in der Distel. Einerseits: ich habe so herzhaft und viel gelacht wie lange nicht mehr. Andererseits: wenn nur 50 % von dem, was die Autoren für ihre wirklich hervorragenden Szenen verarbeitet haben, auf der Wahrheit beruht, dann werden wir alle jeden Tag aufs Neue verschachert und verscherbelt. Ja, ja - ich weiß schon: wie konnte ich so naiv sein, von einer anderen Tatsache auszugehen. Aber man wird doch noch träumen dürfen ... Fazit: unbedingt ansehen! Die drei Darsteller lassen sich in drei einfache Kategorien einteilen: absolut obergenial (Stefan Martin Müller), einfach genial (Michael Nitzel) und für meinen Geschmack ein wenig zu überdreht (Dagmar Jaeger). Der Dank fürs Organisieren dieses überaus launigen Abends geht an Petra, hier gleich zur Rechten unser aller Mutti.

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Zurück aus FliFlaFlorida

23.05.2015 19:23

FliFlaFlorida war wunderbar!!! Was haben wir so getrieben? Wir sind bossig Business Class geflogen - die Saftschubse kannte meinen Namen und hatte gaaaaaaaaaaaaaanz viel Champagner an Bord :-) Wir haben in riiiiieeesigen Betten geschlafen und uns gegenseitig beim Justieren der Klimaanlagen ausgetrickst. Ich bin ganz allein mit dem Auto über mehrstöckige Highways gefahren! Ich habe einen Ausflug in die Everglades unternommen und habe von einem dieser Propellerboote aus ein echtes Krokodil in freier Wildbahn bestaunt. Wir haben gefühlt 3952 Yachten und ebensoviele Villen der Reichen und Schönen in Ft. Lauderdale, Miami, Miami Beach und auf den Keys gesehen (u.a. die von Elizabeth Taylor und die von Al Capone). Das Miami-Vice-Haus steht noch, geht aber inmitten all der neuen Wolkenkratzer fast unter. Don Johnson war nicht da, und Ferraris faren auch nicht ständig durch Miami. Wir haben die wunderschönen Art-Decó-Häuser in South Beach bei Nacht bestaunt und auch die Villa gesehen, auf deren Stufen Versace erschossen wurde. Wir haben viel Meeresgetier gegessen (gegrillten Alligatorschwanz, Conch Fritters - das sind frittierte Bällchen aus kleingehackter Riesenmuschel mit lecker Gewürzen -, Steinkrabben, Mahi-Mahi-Fisch, Schrimps, Lobster, Schwertfisch, Muscheln ...) und den weltberühmten Key Lime Pie (Limetten-Käsekuchen) probiert. Wir haben einen echten Pub Crawl in der Duval Street unternommen und dabei 4 der 200 (!) Bars von Key West geschafft, wahnsinnig tolle Livemusik und extrem durchschnittliche Cocktails genossen. Ich habe Hemingways Haus in Key West besucht und die Nachfahren seiner Katzen gekrault, die auch heute noch aufgrund einer Genmutation nicht fünf sondern sechs Krallen haben. Apropos Mutation: Hemingways Lieblingsbar Sloppy Joe's ist zu einem Mega-Tanzschuppen mutiert - nicht wirklich berauschend. Absolut Rausch auslösend hingegen war der Flug mit dem Wasserflugzeug auf eine entlegene Insel - wir haben aus der Luft Schiffswracks und Schildkröten gesehen! Ein paar Schnappschüsse findet Ihr in der Fotosammlung.
Was hat mich am meisten (positiv wie negativ) überrascht?
Strände sind Mangelware in Süd-Florida! Glaubt Ihr nicht? Ist echt wahr!!! Ich war öfter im Pool als im Meer!
Drinnen ist es kalt und laut, überall. In jedem Restaurant, in jeder Hotellobby, in den Malls - ich habe gefroren wie nur irgendwas, und man muss ständig gegen die Beschallung anschreien.
Die von uns so gern arrogant als oberflächlich abgetane Freundlichkeit der Menschen tut extrem gut. Sie sind nie pampig, grummelig oder aggressiv - es sei denn, sie sind auf den falschen Drogen.
Alles kreiselt um Geld und Konsum. Bei den Bootstouren rund um Miami erfahren wir detailliert, welche Promi-Villa wieviele Millionen Dollar gekostet hat - allerdings schwingt hierbei nicht der in Europa übliche Neid mit oder gar Entrüstung ob des ganzen Reichtums.
Zum Einkaufen geht man in unvorstellbar große Malls, verbringt dort halbe Tage und schleppt nach Hause, was man tragen kann.
Es ist alles größer und breiter: die Straßen, die Läden, die Yachten, die Betten, die Kuchenstücke, die Burger. Vieles ist einfacher: z.B. die Straßenbeschilderung oder die Autoanmietung.
Esskultur gibt es nur, wenn man bereit ist, ein Vermögen auszugeben. Dann und nur dann kann man unfrittierte Lebensmittel mit Metallbesteck von Porzellantellern essen und aus Gläsern trinken. Der sparsame Esser futtert hingegen irgendwas Frittiertes aus Pappschachteln und nuckelt an Strohhalmen in Plastikbechern. So wird er dann wieder größer und breiter.
Es gibt Hirsche auf den Keys, die so groß sind wie Hunde - leider habe ich keinen zu Gesicht bekommen. Dafür laufen überall große grüne Echsen herum, insbesondere auf dem beeindruckenden Friedhof von Key West. Das liebste Fortbewegungsmittel der Key-Westler ist das Fahrrad - individuell zurechtgemacht und lackiert wie hierzulande die Motorräder. Die Sonne geht auf Key West nicht einfach nur unter - nein, sie wird jeden Tag mit einer großen Party verabschiedet.

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FliFlaFlorida

06.05.2015 13:05

Der Countdown tickt - nachdem ich mit der Schmidt-Familie am kommenden Samstag Manne zu seinem 80. hoch leben lassen werde, geht es am Sonntag pünktlich zum Streikende über Tegel nach München und nach einer Nacht bei Familie Geuther dann am Montag mit Annettchen zusammen nach Miami. Soll ich Euch mal neidisch machen? Hier die Wettervorhersage für meinen Aufenthalt dort:

Wir werden natürlich einen formvollendeten Weibertrip zelebrieren: in den ersten Tagen werde ich mich bis zur völligen Erschöpfung dem Liegen am Pool in Fort Lauderdale hingeben, während meine Freundin höchst wichtig in einer Konferenz herumsitzt oder -steht. Dann werden wir für einen durchzutanzenden Abend nach South Beach ziehen und uns unter das Partyvolk der Schönen und Reichen Miamis mischen. Von dort geht es direkt nach Key West, wo wir drei tolle Tage auf Hemingways Spuren wandeln und uns dem höchst intellektuellen und schrifstellerisch sehr anregenden Zeitvertreib des Aufsmeerschauens, Fischessens und Cocktailtrinkens hinzugeben gedenken.   

Ich möchte mich an dieser Stelle nochmals bei Euch ausdrücklich für alle anlässlich meines 50. Geburtstages getätigten Spenden bedanken, die ich in der kommenden Woche in Mojitos, Scampis und Sonnencreme umtauschen werde :-)

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Busfahren in Berlin und Potsdam - nichts für schwache Nerven

26.04.2015 14:08


"Bei Dir wird ja der Sprit schlecht!" sagte einst mein Nachbar über die unterdurchschnittliche Bewegungsfrequenz meines Autos. Ich nutze eher ÖPNV, fahre also in Berlin und Potsdam oft und gern Bus und Bahn - das harmoniert auch besser mit Rotwein. Wir Deutschen sind ja für unser gutes Nahverkehrssystem bekannt, manchmal frage ich mich allerdings: warum macht der Indschenör es uns so schwer? Früher - Ihr wisst ja, als alles besser war - musste man beim Einsteigen in Züge und Straßenbahnen mittels Muskelkraft massive Türen aufstemmen und zuschmeißen. Ihr erinnert Euch? Das war nicht immer leicht, aber man kam sich wenigstens nicht wie der letzte Depp vor. Heute bin ich umzingelt von verwirrten Menschen, die verzweifelt versuchen, in Busse hinein oder aus selbigen wieder hinaus zu kommen. Häufig erfolglos. Mit traurigen Gesichtern fahren Touristen in Potsdam oft an ihrer eigentlichen Destination vorbei. In Berlin werden sie von leicht agressiven Busfahrern über Lautsprecher (natürlich in deutsch) angeblökt, sie sollten gefälligst "aus dem Türbereich zurücktreten". Im Zuge des technischen Fortschritts wurde das manuelle Türöffnersystem nämlich irgendwann von der ach so bequemen Hydraulik abgelöst, die man mittels Knöpfen bedienen kann. Also könnte. Also wenn man wüsste, wie. Die Türen der Busse in Berlin lassen sich nicht schließen, wenn irgendein armer Tropf von Spanier, Italiener oder Japaner in dem verbotenen Bereich eines für Nichteingeweihte unsichtbaren Lichtsensors steht. Und solange die Tür offen ist, kann der Bus nicht losfahren. Regelmäßig zupfen daher Berliner an Jacken und Pullovern von Mitreisenden, um sie aus der Todeszone herauszuziehen. Dies passiert an ca. 98 % aller Bushaltestellen der Innenstadt. Die Busfahrer müssen während ihrer Schicht pausenlos über den Lautsprecher bitten und betteln, um den Bus überhaupt bewegen zu können, und irgendwann werden sie dann eben pampig - man kann es ihnen nicht verdenken. Welcher geistig umnachtete Ingenieur hat sich diesen Schwachsinn ausgedacht? Und wozu? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit tödlichem Ausgang, wenn meine Nase 10 cm von der Bus-Innentür entfernt ist, wenn sich diese schließt? In Potsdam ist es genau anders herum. Die Busse halten an den Haltestellen ihre Türen für Aussteigewillige bockig geschlossen. Denn nur Eingeweihte wissen von den zwei voneinander unabhängigen Halteknopf-Schaltkreisen. Roter Knopf in gelbem Kasten ist dazu bestimmt zu signalisieren, dass man an der nächste Halte raus will. Davon geht die Tür aber noch lange nicht auf. Hierzu gibt es spezielle, verdammt gut getarnte chromfarbene Knöpfe in anthrazitfarbenen Kästen, die der Fremde auch dann nicht findet, wenn seine Augen dem Pfeil mit der Aufschrift folgen, weil kein Chinese oder Ungar oder Portugiese auch nur ansatzweise erahnt, was "Türöffner" bedeuten könnte. Wenn ich für jedes Mal, das ich einem verzweifelten Mitreisenden in Potsdam schon die Bustür geöffnet habe, einen Euro bekommen hätte, könnte ich den Rest meines jungen Lebens in einer tobagonischen Hängematte verbringen.

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Über Flughafentoiletten, Hotelbadezimmer und Haltestangen in Bussen und Bahnen

16.04.2015 12:54

 

Irgendwann in den 70ern, als das Fliegen noch elitär und Geschäftsreisende fast ausschließlich Männer ohne Handgepäck waren, haben nach meiner festen Überzeugung (männliche, durchschnittlich große) Architekten eine Definition für Funktionalität in die Architektenschulbücher geschrieben, die seither nie wieder in Frage gestellt, geschweige denn korrigiert wurde. So kommt es also, dass sich die 1,65m hohe Verfasserin in den letzten Monaten bei ihren verschiedenen Kurztrips durch Deutschland und Europa, aber auch beim täglichen Pendeln immer wieder den gleichen, unüberwindlichen Problemen gegenüber sieht:

Spätestens seit "Up in the Air" wissen alle Vielflieger dank George Clooney, wie man ein Handgepäck-Rollköfferchen so effizient wie möglich packt und an welche Schlange man sich beim Security Check anstellen sollte (immer hinter Asiaten, die sind so effizient). Was völlig unbeantwortet blieb ist die Frage, wie eine alleinreisende Frau mit diesem Rollköfferchen, ihrer Handtasche und in kühleren Jahreszeiten einer Jacke in das innere einer Flughafentoilette kommt. Da Toilettentüren aus völlig unverständlichen Gründen immer nach innen aufgehen, wird selbst der brillanteste Ingenieur mit logarithmusoptimierter Berechnung keine Ideallinie finden, die sowohl das Köfferchen als auch die gar nicht mehr so voluminöse Reisende zeitgleich auf ebener Erde in das Kabäuschen navigiert. Frau muss also mit der kräftigeren Hand das Köfferchen auf Kopfhöhe anlupfen, es über die Toilettenschüssel heben, sich selbst elegant mittels eines eingesprungenen Rittbergers zwischen geöffneter Tür und Seitenwand eindrehen und dann, bevor ihr der Arm abfällt, das Köfferchen hinter der sich schließenden Tür in die Ecke fallen lassen. Handtasche, Jacke, Schal etc. könnten nun auf einem Haken deponiert werden, so es einen gäbe. Das Fehlen eines solchen beweist unumstößlich meine Theorie vom männlichen Architekten: der steht ja immer vor dem Pinkelbecken und muss weder eine Jacke noch eine Handtasche wohin hängen, um die Hände frei zu haben.

Am Zielort im Hotel eingecheckt erwartet die Reisende dann eine sich ähnlich überall auf der Welt wiederholende Malaise: sie steht mit ihrem sicherheitskonformen 1l-Plastiktütchen mit all den Minicremes, Minizahnpastas, Minideos und Minihaarsprays im Badezimmer vor der Frage: wohin? Selbst brandneu errichtete oder erst kürzlich generalsanierte Hotels haben selten eingeplant, dass Reisende sich nicht nur ständig eine Duschhaube aufsetzen (wer von Euch hat schon jemals so ein Wasserverhüterli auf dem Kopf gehabt?!?!) oder ein Zahnputzglas vom Papierhäubchen befreien wollen, sondern - oh Wunder ! - eigene Toilettenartikel mit sich führen. Und auch hier treffen wir wieder fast ausnahmslos auf das Phänomen, dass nach Ansicht des Innendesigners etwaige Haken an Wänden nur das Fugenmuster stören. Dass von Ikea bis Samsonite die führenden Hersteller von "Kulturbeuteln" (wenn das mit der Kultur doch so einfach wäre - ab in den Beutel!) in den letzten Jahren diese mit Ösen zum ANHÄNGEN versehen haben, ist ein typischer Fall von gut gemeint. Wo kein Haken, da kein Hängen.

Und zu guter Letzt eine Bitte an alle groß gewachsenen ÖPNV-Nutzer: bietet Euch an, als Haltegriff für so kleine Nuckelpinnen wie mich. Zum einen erhöhen spontane Körperkontakte die Chancen auf interessante Gespräche enorm, zum anderen sehen wir dann nicht immer so verdammt verzweifelt aus, wenn wir versuchen, auf Zehenspitzen an die Haltestangen in Bussen und Bahnen zu kommen. Zwar werden die Wirbel aufs Angenehmste entlastet, wenn man so frei rumhängt, aber irgendwie fühle ich mich dabei nie so ganz wohl. Und außerdem verrutscht das Dekolleté dann immer so blöd.

Danke.

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Ein bezaubernder Kulturabend in einem kleinen Städtchen im Oberbergischen Land

13.04.2015 19:07


Kaum Gäste, Chaos in Küche und Bar, defekte Sanitär- und Lichttechnik - dies waren die perfekten Zutaten für einen absolut wundervollen, sowohl von heimlichem wie auch schallendem Gelächter widerhallenden Abend!

Die Szenerie:
Wir betreten - sehr hungrig - ein kleines Provinz-Theater, das auch einen Restaurant- und Barbereich hat. Wir setzen uns auf die an Sperrmüll erinnernden Möbel. Liebevoll an vergilbte Wände drapierte Devotionalien der Cineasten-Szene lassen zusammen mit dem leicht vermüllten Eindruck einen urigen Charme entstehen. Hier hat einer sein Herz investiert. Die Speisekarte ist erstaunlich vielseitig, von gefülltem Fladenbrot bis zum Lammsteak ist für jeden Hunger und Geschmack etwas dabei. Allerdings ist das Etablissement leer, es sind weder weitere Theaterbesucher zu sehen noch Personal. Dann kommt eine ziemlich lethargische Bedienung und nimmt unsere Bestellung auf. Als wir mutig nach den warmen Speisen schauen, schiebt sich ein ebenso vorwurfsvoller wie höflicher Schmerz auf ihr Antlitz: vor einer Vorstellung gingen nur die unkomplizierten Gerichte, denn der Betreiber koche selbst, aber vor einer Vorstellung müsse der sich auch um alles andere kümmern. Heute sei das Licht ausgefallen. Aber die ganz einfachen Sachen könne sie auch.  Da wir nichts gegen einfach haben, bestellen wir einen Salat und einen Vorspeisenteller, jeweils zum Teilen. Dazu ein Bier und einen Wein bitte. Die Getränke kommen. Der Wein ist gut, der Preis, den sie hierfür auf den Deckel schreibt, allerdings einer ganzen Flasche würdig. Dann kommt der Betreiber - ein eigentlich tiefenentspannter Späthippi mit langem, silbergrauem Zopf. Heute wirkt er ein wenig gehetzt - wir wissen ja: das Licht ist ausgefallen. Aber auch sein mit 30 Plätzen eh sehr überschaubarer Saal würde heute vermutlich zu 3/4 leer bleiben, denn eine Gruppe von 13 Personen käme wohl nicht. Aber er versucht ein Lächeln und fragt nach unseren Wünschen. Die Bedienung mault von hinten, dass sie unsere Bestellung doch schon aufgenommen hätte, "was Einfaches". Er geht zu ihr und lässt sich entsprechend informieren. Brubbelt, murmelt. Daraufhin sie: "Soll ich denen das so sagen?" Wiederum Gemurmel. Dann tritt er selbst an unseren Tisch und erklärt, dass er in der Küche allein sei, aber tun würde, was er könne. Nur ein Salat UND eine Vorspeisenplatte seien eben sehr kompliziert, so parallel. Daraufhin kapitulieren wir - immer noch gut gelaunt - und geben ihm freie Hand. Was immer er uns machen möge, wir freuten uns darauf. Er schlägt Gnocchis vor und die Vorspeisenplatte. Das wäre gerade noch so zu bewerkstelligen. Wir stimmen begeistert zu. Abgang Betreiber. Nach einer Weile kommt die Vorspeisenplatte. Ein großer runder Teller, dessen Außenrand fein säuberlich aneinandergereihte große Scheiben von schnöder grüner Gurke und Tomate zieren. Im Innenrondell ein Kleks zerlaufener Joghurt (wir raten: ein missglückter Tzatziki-Versuch), dazwischen vereinzelte Miniaturbröckchen Schafskäse, 2 gefüllte Mini-Paprika und ein paar eingelegte getrocknete Tomaten. Alles ohne großen Spürsinn als abgepackte Ware von Aldi zu identifizeren. Aber das Fladenbrot ist warm und kross, und wir haben Hunger. Auf einmal steht Grauzopf wieder an unserem Tisch: die Gnocchi seien alle; das hätte er ganz vergessen. Ob auch Spaghetti gingen? Fröhlich posaunen wir: "Aber klar!!!" Kurze Zeit später steht der dampfende Teller vor uns. Die Sauce schmeckt tatsächlich besonders, geradezu gut. Er freut sich. Als ich dann jedoch nach Parmesan frage, bekommt er denselben bekümmerten Gesichtsausdruck wie seine Bedienung zuvor. Ja, er hätte Parmesan, tatsächlich. Aber die Reibe sei verschwunden. Er würde gleich nochmal suchen. Wenig später stellt er uns einen Teller auf den Tisch, auf dem ein Monstrum von blecherner Multifunktionsreibe thront wie ein Eon-Strommast. Daneben liegen zwei traurige, klitzekleine Randstücke eines ehemaligen Parmesans. Dem Versuch, von der knochenharten Schale die letzten 2 mm Käse abzuhobeln, fallen auch einige Fingernägel zum Opfer, aber wen kümmert's. Wir spachteln und schaufeln, am Ende ist alles alle, es hat fast geschmeckt und wir sind rechtzeitig in der Vorstellung. Diese ist wundervoll launig, die Künstler sind übermotiviert und kommentieren die Anwesenheit von ingesamt immerhin 9 (!) Gästen spontan mit passenden Bonmots. Während der Pause bestellen wir an der Bar einen Cappucchino bei der Bedienung. Daraufhin der bereits mehrfach geübte sehr zweifelnde Gesichtsausdruck und eine Rückfrage an den Betreiber: "Mit DER Maschine? Funktioniert die eigentlich noch?!?!" Ich muss so lachen, dass es auf die Blase drückt. Also suche ich die Toiletten auf. Auf der Fensterbank liegt eine eigenartige riesige Nuss in einer Wasserschale. An der Tür ein Schild: "Es kann vorkommen, dass das Spülwasser nach Betätigen des Spülhebels nicht aufhört nachzulaufen. Dann bitte einfach nochmal drücken."

Was für ein wundervoller Abend!

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